Die "Neuhauser Bockerlbahn" - Entscheidung für eine Waldbahn


Endstation der Bockerlbahn bei der WaitzingeralmDie Bayerische Staatsforstverwaltung stellte dieser gewaltige Anfall von Holz vor gewaltige Probleme. Um das Holz, zum Großteil Fichte, aber auch etwas Tannen- und Buchenholz vor Fäulnis und Käferbefall zu bewahren, mußte es so schnell wie irgend möglich zu Tal gebracht werden. Doch wie sollte der Transport aus dem verkehrstechnisch kaum erschlossenen Gebiet am Spitzing bewerkstelligt werden?
Die heutige, gut ausgebaute, ins Spitzinggebiet führende Straße entstand erst im Jahre 1937. Der einzige, damals existierende Weg hinauf zum See war der etwa 3 Meter breite Pfad von Josefstal hinauf zum Spitzingsattel (heute bekannt als „Alte Spitzingstraße“) und weiter bis zur Wurzhütte.
Für schwere Holztransporte war dieser enge Steig völlig ungeeignet. Lastkraftwagen fielen wegen ihrer geringen Leistung zur damaligen Zeit für die steile Strecke von vornherein aus. Bestenfalls mit leichten Pferdegespannen wäre im Winter ein Transport des Holzes möglich gewesen. Allerdings sprach gegen diese Art des Transportes der Mangel an zur Verfügung stehenden Pferden so kurz nach dem Krieg und der damit verbundene hohe Zeitaufwand. Ein etwaiger Ausbau der Spitzingstraße kam wegen fehlender Bauhilfsmittel nicht in Frage.
Der in Erwägung gezogene Bau einer Drahtseilbahn, zur Bergung des Holzes, wurde wegen der zu geringen Beförderungskapazität einer solchen Bahn verworfen.
Die Überlegungen der Staatsforstverwaltung führten schließlich dazu, eine Waldbahn zu errichten, die nur für den Abtransport des Holzes erstellt und nach Beendigung der Arbeiten zurückgebaut wird.
Die zu erbauende Waldbahn sollte beim Bahnhof Fischhausen-Neuhaus Anschluss an die damals noch zur Bayerischen Staatsbahn (Eingliederung in die Deutsche Reichsbahn erfolgte erst im späteren Verlauf des Jahres 1919) gehörenden Strecke Bayrischzell - Schliersee (Fertigstellung am 01. Oktober 1911) finden. Die Streckenführung sollte von hier über den Spitzingsattel in die Valepp führen und einschließlich Nebengeleisen ca. 12 Kilometer betragen.
Windenwerk des Bremsberges lll in der BauphaseAls Spurweite wurden 600 mm festgelegt. Der Oberbau sollte aus 93 mm hohen Gleisen auf der Hauptstrecke und 80 mm auf Nebenstrecken, verlegt auf Holzschwellen im Abstand von 70 cm errichtet werden. Die größte Steigung sollte 6,05% betragen und als kleinster Radius der mit Lokomotiven zu befahrenden Strecke wurde auf 20 m festgelegt.
In der Firma Steinbeis & Consorten KG, Brannenburg, fand man einen Partner, der über die nötige Erfahrung im Holzhandel und Holztransport in dieser Größenordnung verfügte.
Schon am 18. Februar, also 6 Wochen nach der Katastrophe, legte die Architektengruppe „Topographisches Bureau München“  einen detaillierten Plan mit exakter  Kostenberechnung über Streckenführung, Kunstbauten, Bahnhöfe, Verladestationen, Rangier- und Abstellgleise vor. Ebensowenig fehlte eine Aufstellung der benötigten Arbeitskräfte sowie Lösungen für deren Unterbringung und Versorgung. Man stelle sich dies in der heutigen Zeit vor: Planungs-, Raumordnungs-, Genehmigungsverfahren usw. würden sich dabei vermutlich über mehrere Jahre hinweg ziehen.
Da die geplante Streckenführung nicht nur auf Staatsgrund sondern auch über Grundstücke von mehr als 40 verschiedenen Eigentümern, meist die eingesessene Bauernschaft, führte waren umfangreiche Verhandlungen nötig um die betroffenen Parzellen in den Besitz der Bayerischen Staatsforstverwaltung zu bringen.
Dank dem Verhandlungsgeschick von Forstrat Ludwig Hoermann und dem in den meisten Fällen entgegenkommenden Verhalten der Besitzer gelang es innerhalb kurzer Zeit dies durch Kauf  bzw. Tausch zu bewerkstelligen.
Der Bahnhof Neuhaus WestansichtIm April waren Planungen und Grundstücksverhandlungen soweit gediehen, dass mit dem Bau der Bahn begonnen werden konnte. In den geschädigten Waldstücken wurde zu dieser Zeit bereits kräftig gearbeitet. Die Holzknechte entasteten und längten die Bäume auf 4,5 Meter ab und brachten Sie zu den Ganterplätzen entlang der zukünftigen Waldbahn, wo sie nach Qualität sortiert und gelagert wurden.
Am 13. Juni 1919 kam es zum Abschluss eines notariellen Gesellschaftervertrages, in dem die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und dem Ziel, "alle Arbeiten in die Wege zu leiten und durchzuführen , welche den Abtransport des Holzes zur Eisenbahn bezwecken und vollziehen" vereinbart wurde.
Die neu gegründete Firma erhielt den Namen "Firma Holzwerbung Spitzing GmbH" mit Sitz in Schliersee.
In den Aufsichtsrat wurden die Herren Forstrat Hoermann, als Vorsitzender, Forstmeister Bosch und Dr. Steinbeis berufen. Als Geschäftsführer wurden die Herren Bremicker und Walther bestellt.

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