Trift an der Brandenberger Ache


In der TiefenbachklammDem Wanderer durch das Tal der Brandenberger Ache eröffnet sich eine Wald- und Bergwelt von der die Naturexperten in höchsten Tönen schwärmen. Hans Gschnitzer, Direktor des Tiroler Volkskundemuseums in Innsbruck: "Es ist eine der schönsten Landschaften der nördlichen Kalkalpen". Hans Matz, Höhlenforscher und Lehrwart für Bergsteigen: "Ein glanzvoller Höhepunkt im Erlebnis österreichischer Schluchtlandschaften" und "Tirols abenteuerlichstes Wildwasser".
Es handelt sich um das Gebiet der Roten und Weißen Valepp, die sich etwa an der Landesgrenze zwischen Bayern und Tirol zur Brandenberger Ache vereinigen und dann durch eine wilde Schluchtenlandschaft über Kaiserklamm, Tiefenbachklamm nach Kramsach ihre Wassermassen in den Inn führen. Beidseits dieser Wildwässer erstreckt sich eines der größten Waldgebiete Südbayerns und Nordtirols.
73 km2 umfasst das Einzugsgebiet, aus dem das Holz zu Tal gebracht wurde. Das Holz wurde schon im Mittelalter in kleinerem Umfange auf diesen Gewässern getriftet, aber erst im 15. Jahrhundert beginnt die Geschichte der größten Trift auf europäischem Boden. 1409 erteilte der damalige Herzog Stefan III. von Oberbayern-Tirol den Grafschaften Brandenberg, Rattenberg und Kramsach die Erlaubnis, einen Rechen zum Auffangen des Holzes zu erbauen. Dieser entstand am Ende der Brandenberger Ache vor der Einmündung in den Inn in der Nähe von Kramsach.
1480 begann unter der Herrschaft des bayerischen Herzogs Albrecht IV., der mit Elisabeth von Österreich verheiratet war, die ausgiebige Nutzung und der umfangreiche Waldeinschlag in diesem riesigen Gebiet. Grund war die Entstehung der Bergbau- und Hüttenbetriebe um Rattenberg, Schwaz und Kramsach. Dort wurde damals Eisenerz, Kupfer, ja sogar Silber und Gold im Bergbau gewonnen und verhüttet. Die dafür notwendigen enormen Holzmengen erforderten daher eine besondere Art der Talbringung. So entstand die Trift der Brandenberger Ache.
Trift in der ValleppDie Voraussetzungen für den Abtransport der riesigen Holzmengen durch eine Trift, bei der die Stämme im Gegensatz zur Flößerei, lose und ungebündelt auf dem Wasser stromabwärts schwimmen dürfen, ermöglichten in dieser Zeit den notwendigen Umfang an Holz zu transportieren. Um das Holz möglichst unbeschadet zu Tal zu bringen, kam man auf die Idee, die Ache aufzustauen. Dies führte im 15. Jahrhundert zum Bau der ursprünglichen Kaiserklause, im damals bayerisch/tirolerischen Grenzgebiet. Dieses Bauwerk, das aus Felsbrocken und Holzriegeln gezimmert war, staute den Flusslauf auf und konnte durch ein Torsystem die gestauten Wassermassen freisetzen, mit denen die Stämme zu Tal getriftet wurden. Diese Kaiserklause bestand etwa von 1500 bis 1830. Die Reste dieses Bauwerks sind noch kurz nach dem Forsthaus Valepp am Bachbett der Roten Valepp zu erkennen. Das eigentliche Bauwerk existiert nicht mehr.
Erzherzog Johann Klause etwa 1910Damals gehörte der Wald dieser Gegend den Klöstern Tegernsee und Scheyern, die mit den Tiroler Grafschaften Verträge abgeschlossen hatten. Die Kaiserklause erreichte eine Stauhöhe von stattlichen 12 Metern. Erst 1833 wurde auf österreichischem Gebiet, die nach dem bekannten Alpen- und Jagdfreund Erzherzog Johann benannte Klause gebaut.
Ganze 7 mal musste dieses Stauwerk bei der Erstellung des Triftbetriebs erneuert werden, weil die ersten Holzkastenklausen dem enormen Druck und der Belastung durch Wasser und Stämme nur etwa 15 Jahre Stand hielten.
1934 wurde die Klause dann einige Meter weiter talwärts verlegt und erstmals mit Betonpfeilern ausgerüstet. So ergab sich eine Stauhöhe von damals 14 Metern.

Es folgt eine kurze Beschreibung einer Trift. Wie ging eine solche Trift vor sich?

Forstamtmann Max Fackler soll jetzt zu Wort kommen, da er schon sehr viel Verkehrtes über diese komplizierte Angelegenheit geschrieben und berichtet bekommen hat.
Holriese zur Voranlieferung des HolzesEs ging also mit dem Holzeinschlag hoch oben im meist unwegsamen Gelände am Berge an. Die Stämme wurden an Ort und Stelle entastet, entrindet und je nach ihrer Bestimmung meist in 4 m lange oder für Brennholz auch kürzere 1,80 bis 2 m große Stücke geschnitten.
Man hat sie zum Teil zur Winterzeit bei geeigneten Schneeverhältnissen talwärts getrieben und auch am Schlitten befördert. In anderen Jahreszeiten wurden sie von den Holzknechten in mühevoller und gefährlicher Handarbeit über die mit minderwertigem Rundholz ausgelegten Fels- und Geröllgräben, die sog. "Loitn" bergab geholzt. Eine verbesserte Form dieser "Loitn" waren später die "Riese". Das waren regelrecht ausgebaute Rutschbahnen. Weil es natürlich nicht immer pfeilgrad bergab ging, bedienten sich die Holzknechte vor der großen Trift auch häufig noch kleinerer Trifte, für die man Nebenbäche durch eine "Schütz" oder Wehr "g'schwöllt", also aufgestaut hat.
Einwässern des Holzes am Marbach Lagerplatz ca. 1961Mit Hilfe dieser verschiedenen Beförderungsarten gelangten die Baumstämme schließlich vor und auch hinter der Klause an den Triftbach, wo man sie zu "Gantern" stapelte, so dass man bei der Haupttrift nur ein paar Ketten oder Seile lösen musste, um die Stämme in Richtung auf das Bachbett in Bewegung zu setzen. Eine kleine Vorflut vor der Hauptschwöllung nutzten die Holzarbeiter, um die Stämme im Bachbett möglichst in Flussrichtung zu ordnen und die Formationen aufzulockern. Noch vor der Haupttrift waren die Holzknechte bemüht, das vor der Staumauer im Klaushof schwimmende Holz durch eine sog. "Überführungsrinne" in das Bachbett unterhalb der Klause zu schleusen. Wurde dann das Schleusentor endgültig geöffnet, ergossen sich die Wassermassen, die vor der Klause auf 500 m Länge aufgestaut waren, in einem tosenden Strom zu Tal. Auf diesem Strom bäumten sich die Stämme auf, überstürzend an Felsen und gegeneinander schlagend.

Einwässern bei der Erzherzog Johann Klause ca. 1961

Erzherzog Johann Klause ca. 1900

Man kann sich vorstellen, welch ungeheuer anstrengende und gefährliche Arbeit es für die sog. Triftmeister war, mit langen Grießhaken und Sapins, zum Teil halsbrecherisch im reißenden Wasser auf Stämmen balancierend, möglichst viele Baumstämme mit der großen Schwöllung in Gang zu bringen. Denn alles, was nach der etwa 2 Stunden anhaltenden Flut noch zwischen Felsen und Wurzeln verkeilt oder ineinander in "Füchs`n" verzwickt dalag, musste in wahrer Sauarbeit der Trift beim Nachräumen der großen Sendung hinterhergeschickt werden.
Trift in der Kaiserklamm 1961Ganz genau ist es nie gemessen worden, aber der Weg zur Lände in Kramsach, für den ein Stamm 6 bis 7 Stunden unterwegs war, dürfte an die 20 km betragen. Wie es dabei in tiefen Schluchten und schäumenden Stürzen zuging, zeigt allein schon, dass man Holzverluste bis zu 20 % einkalkulierte.
Einiges verklemmte sich unterwegs hoffnungslos. Andere Stämme, die ankamen, waren böse mitgenommen und entsprechend in der Qualität gemindert.
Die Lände in Kramsach bestand aus einem raffiniert ausgeklügeltem System verschiedener Rechen, Schleusen, Kanäle und Sandgitter. Trotz dieser Einrichtungen, mit denen das bis zu 4 m lange Holz in den verschiedenen Ausländeplätzen sortiert und gestapelt wurde, hatten die Arbeiter auch dort schwerste Knochenarbeit zu leisten. Nicht selten standen sie dabei wieder bis zu den Hüften im eiskalten Wasser.
Die Abnehmer des Holzes waren, wie oben geschildert, Silber-, Kupfer- und Bergbauminen des Inntals. Später kamen auch in Kramsach selbst eine Schmelzhütte und ein Messingwerk in Achenrain dazu.

Trift am Ende der Tiefenbachklamm

Im 17. Jahrhundert wurde noch eine Glashütte zum Nutznießer des Holzreichtums. Auch eine Kupferhütte bei Brixlegg kam dazu. Eine Zeit lang wurde das Triftholz auch weiter den Inn hinunter zu den Sudkesseln der Rosenheimer Salinen geflößt.
Die Lände in KramsachGegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm der Anteil des Nutzholzes dann stark zu. Kramsach wurde zum größten Umschlagplatz für das Holz. Da aber die Schmelzhütten allmählich mit Hilfe des Eisenbahnverkehrs immer mehr die Möglichkeit bekamen, ihren Heizbedarf mit der ergiebigeren Steinkohle abzudecken und der Anspruch auf die Qualität des Holzes immer größer wurde, war es kein Wunder, dass die modernen Möglichkeiten der Talbringung auf Forststraßen und mit den Hilfsmitteln der modernen Technik (Lastwagen, Seilbahn etc.) die Trift immer weniger notwendig machte.
Die letzte Trift erfolgte 1966. Die Bevölkerung des Tals der Brandenberger Ache musste noch einige Jahre einen harten Kampf ausfechten, da die staatliche österreichische Kraftwerksgesellschaft im Verlauf der Brandenberger Ache den Bau mehrerer Staustufen mit Kraftwerken beabsichtigte, um die Stadt Kufstein mit Strom zu versorgen.

Trift in der Brandenberger Ache

Erzherzog Johann Klause 1946

Am 5. Jan. 1988 wurde das ganze wilde Tal dann endlich zum Naturdenkmal erklärt. Störend sind jetzt nur noch die wilden Zeltler und Griller im ansonsten unversehrten Revier.
Man sollte sich allerdings vor Augen führen, wie sehr die Trift die Bergnatur schon vor einigen hundert Jahren nicht nur verändert, sondern auch ausgeraubt hat. Es war ja vor allem Laubholz für die Verkohlung besonders geeignet. Und junges Laubholz hatte bei den hohen Wildbeständen zur Zeiten fürstlichen Weidwerks aber auch durch die Erosionen als Folge des radikalen Holzeinschlags kaum noch Aussicht, den ursprünglichen Bergmischwald neu zu beleben. Erst heute können wir an den Folgen des eigenen Raubbaus an der Natur auch diese frühen Sünden und den Beginn allen Übels erkennen.
 

Quellen:

Stefan Wittich "Die Trift"

Trift in der Kaiserklamm 1961

 

Forstamtmann Max Fackler

 

Herr Georg Auer, Brandenberg

 Fotos

Georg Auer, Metz Hans Dieter

© 2002

Dr. Jörg v. Hertlein, Neuhaus