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Um
die Kellerlinde findet seit unvordenklichen
Zeiten jedes Jahr die Leonhardifahrt statt.
Wann sie ihren Anfang genommen hat, ist
heute nicht mehr festzustellen; 1750 wurde
sie als etwas längst Eigeführtes bezeichnet,
jedoch betont, dass die Dokumente "in
Abgang gekommen seien und näheres nit wüsslich
sei". Sie dürfte jedenfalls mit Kreuth
zu den ältesten im Oberland gehören. In
seiner "Conscription der Merkwürdigkeiten
und Antiquitäten bey der Pfarr Schliersee"
schreibt Pfarrvikar Wolfgang Englhardt am
9. März 1758: "Bey Fischhausen auf
der Haiden steht ain Kirchlein, dem heiligen
Leonardo dedizieret. Daher wird sowohl von
der Pauernschaft aus der Pfarrgemeinde alß
umbligenter Nachbarschaft die sog. Leonhardsfahrt
angestellt, die Pferd und S.V.Khüevich betr..."Dass
aus einer frommen Umfahrt später, wie hierzulande
Brauch, ein fröhliches Volksfest wurde,
freute Stephan Kögl, 1824 bis 1837 Pfarrherr
von Schliersee, gar nicht.
Er
schreibt in seinem Bericht über die Fischhauser
Kirchweih am 30. Juli 1826, die seiner Zeit
mit der Leonhardifahrt verbunden war: "Um
7 Uhr war Frühamt, dann Prozession um die
Kirche mit Absingen der Evangelien. Viel
Volk versammelt; Lärm, Peitschenknallen.
1/2 9 Uhr Hauptgottesdienst; Amt und Predigt;
die Straße zum Kirchlein mit Reutern, Wagen
und Fußgängern ganz bedeckt. In starkem
Trapp und mit heftigen Knallen gings dreymal
um die Kirche herum. Trompeten schmettern
ein Soldatenstücklein herunter, daß man
sich in eine Bataille versetzt gesehen glaubte.
Einige Pursche wagten es, nächst der Kirche
wie Drescher im Takt zu knallen. Von 12
bis 2 Uhr wurde noch tüchtig gerauft." Aber
es waren nicht nur diese Erscheinungen,
die Graf Montgelas bewogen, diese und andere
kirchliche Veranstaltungen wie Passionsspiele,
das Frauentragen usw. als "müßig und
überflüssig", zu verbieten. Als
die Leonhardifahrten wieder aufgenommen
werden durften, fanden sie in Fischhausen
am letzten Sonntag im Oktober, dem "Fischhauser
Kirta" statt, einem örtlichen Reservatrecht,
das wir auch anderwärts finden, weil am
großen Kirchweihtag (3. Oktobersonntag)
alles in der Pfarrkirche war. In dieser
Zeit hat man auch begonnen, den Zug bereits
in Schliersee zusammenzustellen, dem sich
dann in Fischhausen die vielen Gespanne
aus dem Leitzachtal einfügten. Seit
1920 findet die Leonhardifahrt wie an den
meisten anderen Orten am Festtag des Heiligen
(6. November) oder am nächsten Sonntag statt. Neue
Verbotsgefahr für die Leonhardifahrten wie
für alle anderen öffentlichen kirchlichen
Veranstaltungen (Primizien, Prozessionen
usw.) bestand wieder mit Beginn des Dritten
Reiches. Die Leonhardifahrt in Fischhausen
hat auch diese Zeit überstanden, wenn sie
auch 1943 mangels Pferden nur aus einem einzigen
Fahrzeug bestand. Heute
gehört sie wieder zu den größten im Oberland,
mit 50 und mehr Gespannen und Tausenden
von Gläubigen, die sich an diesem Tag um
die Leonhardikirche versammeln.
Quelle:
Chronik Schliersee
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